fluchtgeschichten


In der Zeit von 1997 bis 1999 rekonstruierte Brele Scholz in langen Interviews akribisch die persönlichen Erfahrungen ihrer Mutter während des Krieges.

 

Aus: Die Figuren von Brele Scholz: Ecce Homo, Anne Berk, Kunstkritikerin / Kuratorin und Koordinatorin für sculpture network NL, Februar 2016


Die Installation Fluchtgeschichten besteht aus drei Büchern, drei Tischen, drei Hockern, drei Glühbirnen. Thematisch geht es um drei Abschnitte im Leben meiner Mutter Adelheid Scholz (1926 geb. Kessler) in den Jahren von 1933 bis 1948.

 

Die Erlebnisse dieser Jahre wurden mir 1997 und 1998 von meiner damals 72 jährigen Mutter in mehreren, von mir auf Tonband aufgezeichneten Interviews erzählt. Die Interviews sind an einigen Stellen gekürzt aber weder zensiert oder „verbessert“. In meiner Befragung kam es mir weniger auf biografische Wahrheit als auf exemplarische Wahrhaftigkeit an.

 

In einem zweiten Arbeitsschritt habe ich ihre Erzählungen in assoziative Zeichnungen umgesetzt und den Wortlaut in die entstandenen Blätter eingedruckt. Die drei Buchobjekte entstanden 1999 unter Verwendung von Tusche, Grafit, Acrylfarbe, Bunt- und Wachsstift, teilweise mit eingearbeiteten Fotografien auf Papier. Sie umfassen insgesamt 126 auf Karton montierte Blätter im Querformat 53 cm x 34 cm.


Fluchtgeschichten 1. Buch

Adelheid Kessler ist 1933 sieben Jahre alt und hat drei ältere Geschwister, als die Flucht der Familie ins türkische Exil notwendig wird. Ihr Vater, Gerhard Kessler, Nationalökonom an der Universität Leipzig, äußert sich im Winter 1932/33 in mehreren Artikeln in der Sächsischen Zeitung gegen Hitler und die Nazis. 1933 muss er, nach einer ersten Verhaftung und vorläufigen Entlassung, untertauchen. Er folgt schließlich einer Einladung an die Universität Istanbul in der Türkei.

 

Für Addi ist die im Dezember 1933 angetretene „Reise“ durch den Balkan und das Leben in der orientalisch anmutenden Stadt Istanbul ein großes Abenteuer. Sie ist fasziniert vom turbulenten Straßenleben, liebt das Baden im Bosporus und unternimmt mit ihren Altersgenossen Ausflüge auf die asiatische Seite der Stadt.

 

Ihrer Mutter Dorothea Kessler geht es während dessen zunehmend schlechter. Die seit Jahren an Rückgratverkrümmung und Depression leidende Frau verträgt das warme Klima nicht und wird ärztlich unzureichend betreut, da das Familienoberhaupt Gerhard Kessler die Arztrechnungen nicht bezahlen will. Die Spannungen in der Familie steigen derart, dass 1934 Addis Schwester Gerhild nach Deutschland zurück geht. 1938 entschließt sich ihr Bruder Hans in die USA zu emigrieren und im selben Jahr verlässt auch Gottfried die Familie nach einem Streit mit dem Vater. Addi ist nun mit ihren Eltern allein.


Fluchtgeschichten 2. Buch

Im Sommer 1939 kommt Addis Schwester Gerhild wie jedes Jahr nach Istanbul zu Besuch aus Deutschland. Auf Grund des desolaten Zustands der unzureichend versorgten, gehbehinderten Mutter planen die Frauen, mit Hilfe der deutschen (nazistischen) Botschaft, die heimliche Flucht von Mutter und Tochter zurück nach Deutschland. Addi, inzwischen dreizehn Jahre alt, muss sich erneut von liebgewordenen Freunden und von ihren Spielsachen trennen.

 

Am 1. September 1939, am Tag als Hitlers Truppen Polen überfallen, erreichen Addi und ihre Mutter Berlin. Addi lebt in einer Pflegefamilie, ihre Mutter wird in einem Altenheim untergebracht. 1940 erfolgt die Trennung von ihrer Mutter, da diese zur Pflege in die Bodelschwinghschen Anstalten in Bethel bei Bielefeld verlegt wird. Addi bleibt in Berlin. Dort lebt sie in verschiedenen Familien und wird in den Bund Deutscher Mädchen (BDM) eingegliedert. 1943 zieht Addi zu ihrer Schwester nach Naumburg, da Berlin immer stärker bombardiert wird. Dort macht sie im Februar 1944 ihr Abitur und wird anschließend in der Nähe von Berlin zum Arbeitsdienst eingezogen. Im November 1944 stirbt ihre Mutter.


Fluchtgeschichten 3. Buch

Mit einem Lazarettzug verlässt die scharlachkranke Addi Anfang März 1945 Berlin in Richtung Bayern. Ziel des Zuges ist ein katholisches Kreiskrankenhaus in Lauingen an der Donau. Ein Tieffliegerangriff auf das Lauinger Krankenhaus am 7. April treibt Addi erneut zur Flucht. Sie macht sich zu ihrer Schwester nach Naumburg auf. Im Chaos des zu Ende gehenden Krieges ist Addi mehr als zwei Wochen quer durch Deutschland unterwegs und gerät mehrmals in lebensbedrohliche Situationen. Sie erlebt den Einmarsch der amerikanischen Soldaten in Benndorf bei Borna.

 

Nach ihrer unversehrten Ankunft in Naumburg kann sie einige Monate in der Landwirtschaft arbeiten. Im Juli 1945 wird das Gebiet um Naumburg von den Amerikanern an die Russen übergeben. Addi und ihre Schwester Gerhild entschließen sich, in den amerikanischen Sektor nach Wiesbaden auszureisen, wo Gerhilds Mann im Justizministerium arbeitet. Im November 1946 erreichen sie schließlich das Aufnahmelager Eisenach, von wo aus sie nach Wiesbaden weiterreisen können. Dort bekommt Addi Arbeit im Document – Center. Sie sortiert die von den Amerikanern beschlagnahmten Nazi- und Parteiunterlagen. Ihr Wunsch eine Ausbildung als Goldschmiedin zu beginnen, bleibt unerfüllbar. 1948 kehrt Addi, 22 jährig, in die Türkei zurück und beginnt dort eine Ausbildung zur Krankenschwester.



Die Figuren von Brele Scholz: Ecce Homo

Anne Berk, Kunstkritikerin / Kuratorin und Koordinatorin für sculpture network NL, Februar 2016

„Alle meine Figuren sind nackt. Ich schaue nicht direkt auf unser heutiges Leben, sondern versuche das Wilde in uns frei zu legen; die nicht zivilisatorisch berührte Wildnis - uralt, grundsätzlich und kraftvoll - Urkraft in jedem Menschen. Meine Figuren stellen Fragen nach unserer dualistischen Gespaltenheit und unserer Fähigkeit, diese zu etwas Wertvollem zu wandeln.“ 1

 

Mit Klüpfel und Schnitzeisen verwandelt Brele Scholz knorrige Baumstämme in sich windende, lebendige menschliche Körper. Sie formt einzelne Figuren, Paare, individuelle Köpfe. Und in letzter Zeit Köpfe mit zwei Türen, hinter denen sich zeigt, was im Inneren vor sich geht. Brele Scholz‘ Figuren entstehen aus innerer Notwendigkeit und Mitgefühl. Scholz stellt dringende Fragen an unser menschliches Verhalten. Was ist es, das die Menschheit antreibt? Brele Scholz‘ Figuren geben uns keinen Hinweis auf mögliche Antworten.

 

Schaue auf die Frau, die versucht, an etwas zu ziehen (Bewegungsstudie 5, 2009). Eine nackte Frau verdreht ihren Körper, streckt ihren deformierten Arm nach hinten, ihr Gesicht angespannt. Getrieben von purer Willenskraft zerrt sie an etwas, das über ihre Kräfte hinauszugehen scheint.

 

Schaue auf die Bewegungsstudie 3 aus dem Jahr 2008. Eine Frau hängt kopfüber, Hände und Füße gefesselt, eine Maske über dem Gesicht. Sie kann sich nicht bewegen, ist der Gnade anderer ausgeliefert. Wurde sie gefoltert?

 

Und schaue auf die Bewegungsstudie 9 aus dem Jahr 2010. Der Mann mit dem melancholischen Gesichtsausdruck streckt den sehr langen Arm zur Seite aus, während er mit der anderen Hand auf sich selbst zeigt. Versucht er Gefahr abzuwehren? Versucht er das Gleichgewicht zu halten, um nicht zu fallen? Oder segnet er uns? Ist er ein Sündenbock, eine Christusgestalt? Wir wissen nicht, wer diese Leute sind, woher sie kommen. Wir wissen auch nicht, zu welcher Zeit sie leben oder gelebt haben.

 

Sie könnten jeder sein, aus jeder Zeit. Ihre kraftvoll gestikulierenden Körper zeigen das ganze Spektrum menschlichen Verhaltens. Leben bedeutet Handeln. Sie sind Bewegung im Raum, wie ihre Titel neutral beschreiben. Brele Scholz trifft keine moralischen Urteile. „Diese Figuren sind Teil der menschlichen Familie. Sie könnten du oder ich sein. Sie halten uns einen Spiegel vor.“ 2

 

Körpersprache

 

Der Mensch ist ein soziales Wesen. Wir brauchen einander um zu überleben. Bevor wir sprechen konnten, haben wir uns durch Gesten verständigt. Und das tun wir immer noch. Bewegungen und Gesten offenbaren unsere tiefsten Antriebe und Emotionen. Brele Scholz ist nicht die erste, die dies beobachtet. Vor 2000 Jahren schrieb Quintilian sein zwölfbändiges Werk Lehrbuch der Redekunst „Instituto oratoria“, in dem er Rednern erklärt, wie sie Gesten zur Unterstützung ihres Vortrags nutzen können:

 

Mit unserer Hand bitten wir, versprechen,

Rufen Menschen zu uns und schicken sie weg

Wir drohen, flehen, jagen Angst ein, lehnen ab oder fürchten

Unsere Hände drücken Freude, Kummer und Zweifel aus…3

 

Unser Körper spricht. Körpersprache ist eine Form der visuellen Kommunikation. Und so ist sie ein natürlicher Verbündeter der Kunst. Im Lauf der Jahrhunderte hat sie ihre Bedeutung für verschiedene Akteure und Förderer der Künste bewiesen. Die Katholische Kirche hat sie genutzt, um biblische Szenen zu illustrieren, so dass auch die Ungebildeten unterwiesen werden konnten. Geschäftsleute nutzen sie, um für ihre Produkte zu werben, Politiker um ihre Botschaften zu vermitteln. Aber der Nutzen hat auch eine dunkle Seite. Ein Ergebnis des Missbrauchs der figürlichen Darstellung durch die Nazis und die kommunistischen Regime in der Zeit des kalten Krieges war, dass die figürliche Darstellung zunehmend unpopulär wurde.4 Der Mainstream in der Kunst wandte sich der Abstraktion zu. Reine Form, Gestalt und Farbe, bar jeder Botschaft. Gleichwohl besteht weiter die Notwendigkeit über das Leben zu reflektieren. Seit Mitte der Achtziger Jahre haben sich Künstler mit der Konzeptionellen Figuration wieder der Darstellung der menschlichen Figur zugewendet. Diese Künstler hinterfragen das Leben in einer Zeit, in der Ideologien in Auflösung sind und es keine schnellen Antworten gibt.5 Wie sollten wir zusammen leben?

 

„Als ich studiert habe, war es ja regelrecht verpönt, figürlich zu arbeiten. Ich musste die menschliche Figur neu erfinden“, sagt der deutsche Bildhauer Stephan Balkenhol.6 1983 nahm er all seinen Mut zusammen, sägte einen Baumstamm in zwei Teile und schnitzte einen Mann und eine Frau. Beide auf ihre eigenen Sockel gebannt, veranschaulichen sie die existentielle Einsamkeit. Heute, in hartem Gegensatz zu Balkenhols ‚neutralen‘ Figuren, treibt Brele Scholz den Ausdruck ins Extreme, indem sie die vernarbten Stämme von uralten portugiesischen Olivenbäumen verwendet. Wenn ihre Daphne (2011) von Apollo gejagt wird, scheinen die beiden, von einer gewaltigen Zentrifugalkraft auseinandergetrieben, für immer getrennt.

 

Andere Paare, wie Tanzendes Paar aus dem Jahr 2012, zeigen große Zärtlichkeit.

 

Menschen und Bäume

 

Durch seine ausgedehnten Wälder hat Deutschland eine lange Tradition der Holzschnitzerei, von Tilman Riemenschneider im 15. Jahrhundert bis zu den Expressionisten des 20. Jahrhunderts wie Ernst Barlach (1870-1938) und Ernst Ludwig Kirchner (1880-1938) und dem Neo-Expressionisten Georg Baselitz (geboren 1938). Wie Kirchner arbeitet auch Brele Scholz „en taille directe“, schneidet direkt aus dem Baumstamm, ihren Emotionen freien Lauf lassend. Für sie ist Holz nicht nur Material, es ist auch Quelle ihrer Inspiration. Tatsächlich ‚sieht‘ Scholz die Figur im Baumstamm, bevor sie beginnt. Sie muss sie nur noch befreien.

 

Hintergrund

 

Brele Scholz ist Autodidaktin. Aus diesem Grund war sie nicht eingeschränkt durch das Tabu der Figuration. Korrekte Anatomie hat keine Priorität für sie. Gliedmaßen werden beliebig verzerrt, Verletzungen bloßgelegt. Ihr Stil ist ernst und geradeheraus, direkt vom Herzen, auf eine Art, um die sie die Expressionisten beneidet hätten. Ihre Figuren entstehen aus innerer Notwendigkeit. Ihre Arbeit ist ein Aufschrei.

 

Brele Scholz wurde 1959 in Aachen geboren, vierzehn Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges. Ihr Vater war Physiker und arbeitete für den Elektronikkonzern Philips. Ihre Mutter war Aktivistin, gründete eine Freie Schule, baute biologisches Gemüse an und setzte sich für die Anti-Atom Bewegung ein. Breles Mutter strebte danach, die Welt zu verändern, aber ihre eigenen Gefühle hatte sie eliminiert. Stark traumatisiert durch das, was ihr während der Nazi Diktatur widerfahren war, konnte sie ihren vier Kindern gegenüber kaum Mitgefühl entwickeln. Trotz eines im Grunde freundlichen Wesens waren ihre Dominanz und emotionale Distanziertheit erdrückend. Brele Scholz verließ mit dreizehn Jahren ihr Zuhause und ging mit siebzehn Jahren nach Frankreich, wo sie als Natursteinmaurerin arbeitete und alte Häuser restaurierte. Mit dreißig mietete sie ein Atelier in Aachen und beschloss, als Künstlerin zu arbeiten.

 

Ecce Homo

 

Eines ihrer ersten großen Projekte war eine Serie von sechzig Gemälden auf gebrauchten Kohlensäcken. Lebensfries aus dem Jahr 1999 zeigt stilisierte männliche und weibliche Figuren in verschiedenen Phasen des Lebens.

 

Als Teil des Lebensfries schuf sie verschiedene Paar Hände – ihre ersten Skulpturen – um die Thematik zu unterstreichen: zwei kleine Hände halten einen Apfel. Ein Paar Hände mit offenen Handflächen sind bereit zu empfangen und eine Knochenhand, die sich an den Ast klammert, aus dem sie geschnitzt ist. Alle sind Leben auf den Punkt gebracht. Wir leben, pflanzen uns fort, sterben.

 

Zur gleichen Zeit, von 1997 bis 1999, rekonstruierte Brele Scholz in langen Interviews akribisch die persönlichen Erfahrungen ihrer Mutter während des Krieges. Breles Großvater, Gerhard Kessler, arbeitete als Nationalökonom an der Universität Leipzig und äußerte sich 1933 in mehreren Zeitungsartikeln kritisch gegenüber den Nazis. Er wurde gezwungen, das Land zu verlassen. Mit seiner Familie bekam er Asyl in der Türkei. Zerrüttete Familienverhältnisse im türkischen Exil gipfelten 1939 in der heimlichen Flucht von Mutter Kessler mit ihrer jüngsten Tochter Addi (Breles Mutter) zurück nach Deutschland. Sie kamen am 1. September 1939 in Berlin an, am Tag als die Nazis mit dem Überfall auf Polen den Krieg begannen. Vereinnahmt durch die Massenbewegung der Nazis, erlitt Breles Mutter moralische Verwirrung, Einsamkeit, Seelenqualen und Erschöpfung. Ohne jedes Urteil erkundet Brele Scholz die Reise ihrer Mutter durch die Hölle. Die Geschichte wird in den Worten der Mutter erzählt, zusammen mit 126 Zeichnungen in Form eines dreibändigen Buchobjektes. Die Fluchtgeschichten behandeln die Komplexität menschlicher Beziehungen in Zeiten des Krieges. Brele fragt sich „Warum verhalten wir uns so? Was geht in unseren Köpfen vor? Was hätte ich getan?“

 

In ihrem nächsten Projekt, Die Marschierenden, 2004, versuchte Brele Scholz sich vorzustellen, wie es sich anfühlt, Teil einer diktatorischen Struktur zu sein. Sie lud 46 Freunde und Bekannte ein, ihr Modell zu stehen. Sie sollten den Preußischen Stechschritt exerzieren, mit ausschwingenden Armen und weit vorgestreckten Beinen. Einige weigerten sich, aber die meisten machten mit. Wie eine Röntgenaufnahme bringen diese transparenten Fotografien ihrer marschierenden Körper menschliches Verhalten ans Licht. Es ist eine Parade von nackten, anonymen Leibern ohne eigene Identität. Sie sind weder zeit- noch ortsgebunden. „Indem man diese Bewegungen in einen neuen Zusammenhang stellt, werden sie zu einem Tanz und zeigen ihre Absurdität.“

 

Den aktuellen Vormarsch nationalistischer Bewegungen in Europa beobachtet Scholz mit Sorge. Die Vergangenheit ist für sie kein abgeschlossenes Kapitel. 2012 schuf sie 28 Köpfe, die 28 Europäer. Überlebensgroß stellen sie die 28 Staaten der Europäischen Union dar.

 

Seit 2014 gestaltet sie die 28 Europäer um in Masken und Visiere / Umgebaute Europäer. Die Europäer werden „geöffnet“, um ihr Innenleben preiszugeben. „Die Europäische Union ist eine großartige Errungenschaft. Wir sollten sie wertschätzen. Tag für Tag handeln Europäer ihre Konflikte durch Gespräche aus anstatt durch Kriege. Wir benötigen eine europäische Identität.“

 

Brele Scholz‘ Kunst entsteht aus ihrem Bedürfnis, sich mit ihrer Vergangenheit auseinander zu setzen. Ihre Vergangenheitsbewältigung hat sie dazu gebracht, die menschliche Psyche zu untersuchen. Scholz‘ Figuren behandeln eine breite Palette von Emotionen, von individuellen Stimmungen bis hin zu den Bindungen, die zwischen Menschen oder Gruppen bestehen. Sie bewegen sich zwischen Aggression, Hass und Schmerz und unserer Fähigkeit zu Liebe, Zärtlichkeit und Mitgefühl.

 

Schaue auf den Mann, der gequält schreit. Ist er gefallen oder in einem Akt der Verzweiflung gesprungen? (imaginary lover 5, 2005)

Schaue auf den Mann und die Frau, die beide ihren Standpunkt vertreten, während ihre Körper nach Liebe ausschreien. (Geben und Nehmen, 2015)

Schaue auf den Mann, der seine Hand reicht, um einer Frau nach oben zu helfen. (Bewegungsstudie 4, 2009)

Schaue auf die lebensfrohe Frau, die auf einer Hand balanciert. (Bewegungsstudie 8, 2010)

Schaue auf sie, und denke über uns nach.

 

 

1 Brele Scholz, Die Bewegungsstudien, Katalog, 2011

2 Brele Scholz, Interview mit der Autorin, 26. Oktober 2015. Sofern nicht anders angegeben, stammen alle Zitate aus diesem Gespräch

3 Quintilian, Institutio Oratorio, 88 AD (Harvard University Press, 1966)

4 Berger, Ursel. ‘Moderne Plastik gegen die Dekoration der Gewalt.’ In: Taking Positions, Bildhauerei und das Dritte Reich, Ausstellungskatalog Henry Moore Foundation, Gerhard Marcks Haus, Georg Kolbe Museum, 2001, S. 69

5 Berk, Anne. In Search of Meaning. Mensbeelden in globaal perspectief, Ausstellungskatalog Museum de Fundatie, Zwolle, 2015, S. 14

6 Stephan Balkenhol, Interview mit der Autorin, 5. September 2007